Kleine Geschichte der Gewerkschaft Hermannshütte

von Jürgen Moritz

Mitte des 19. Jahrhunderts erwarb die Weilburger Bergbaugesellschaft Louis Vogts & Co. vom Fürsten zu Wied ein Gelände zur Errichtung eines Hüttenwerks am Neuwieder Rheinufer. Die Nähe zu Eisensteingruben in den Ämtern Weilburg und Runkel sowie an der Mosel, die Möglichkeit der billigen Beförderung der Hütten-erzeugnisse auf dem Wasserweg und schließlich die gegenüber dem Ruhrgebiet in unserer Region niedrigeren Löhne führten zu dieser wirtschaftlichen Entscheidung.

Aber auch die zu dieser Zeit bereits bestehenden Hüttenbetriebe in Sayn und Mülhofen werden zur Standortentscheidung beigetragen haben. Den Namen Hermannshütte führte das Werk seit dem 27. April 1857, nachdem Fürst Hermann zu Wied seine Zustimmung zur Namensgebung erteilt hatte.

Ursprünglich sollten zwei Hochöfen, eine Gießerei und ein Walzwerk erbaut werden. Doch diese Päne wurden aufgrund finanzieller Schwierigkeiten nicht realisiert. Be-reits 1859 wechselte die Hütte erstmalig den Eigentümer, um schließlich, nach mehreren weiteren Wechseln, im Jahre 1871 an Alfred Krupp verkauft zu werden. Der ständige Besitzerwechsel hatte sich nicht vorteilhaft auf die Entwicklung des Hüttenbetriebes ausgewirkt. Von den Ursprungsplänen war lediglich ein Hochofen mit den dazugehörigen Maschinen und Gebäuden zur Ausführung gekommen.

Die günstige Lage am Rhein führte dazu, dass schon bald nach dem Erwerb der Hütte durch Krupp in Spanien gewonnener Eisenstein via Rotterdam auf Rheinkähnen nach Neuwied verschifft wurde. Hier wurden die Erze zunächst noch in Körben aus den Kähnen auf den Hüttenplatz getragen. Erst geraume Zeit später wurden die Rohstoffe mit Hilfe einer Krananlage ausgeladen, auf einer Hochbahn zu den Erzlagern gebracht und dort verteilt. Mit dem Übergang der Hütte in Krupp'schen Besitz wurde zudem im Jahre 1873 eine Verbindung zur Station Neuwied der rechtsrheinischen Eisenbahn hergestellt. Über einen weithin sichtbaren Steinviadukt überquerte das Anschlussgleis das zum Rhein abfallende Gelände und gewann so die nötige Absturzhöhe für die der Hütte zugeführten Rohmaterialien.
Der vorhandene Hochofen hatte nur eine Leistungsfähigkeit von 25 Tonnen Roheisen pro Tag. Er wurde im Jahre 1875 um zwei weitere Öfen ergänzt, deren Lei-stungsfähigkeit je 80 Tonnen Roheisen betrug. Um 1887 wurde ein vierter Hochofen gleicher Größe errichtet und angeblasen. Der ursprüngliche Hochofen wurde wenige Jahre später abgebrochen. Beschickt wurden die Hochöfen mit zwei Aufzügen, von denen einer durch Pressluft und der andere durch Dampf betrieben wurde. Für die Dampferzeugung standen zwei Kesselhäuser mit 10 bzw. 8 Kesseln von je 79 qm Heizfläche zur Verfügung.

Blick auf Kesselhaus, Gichtbühne und Eisenbahnviadukt der Hermannshütte in den siebziger Jahren des 19. Jhdts. Historisches Archiv Krupp, Villa Hügel, Bild WA 16c51.1

Der Abtransport des auf der Hütte erblasenen Roheisens erfolgte sowohl auf dem Wasserweg als auch mit der Staatsbahn. Die anfallende Hochofenschlacke wurde mit Hilfe einer schmalspurigen Eisenbahn ins Engerser Feld abgefahren und diente dort unter anderem zur Befestigung des Rheinufers. Zwei kleine Dampflokomotiven, die im Jahre 1907 von der renommierten Münchner Lokschmiede Krauss & Co. nach Neuwied geliefert worden waren, standen für diesen Zweck zur Verfügung. Für die Lieferung dieser beiden Lokomotiven hatte die Friedr. Krupp A.G. 8.400,-- Mark frei Neuwied zu zahlen. Hinzu kamen 30,-- Mark für den "Inbetriebssetzungsingenieur". Wärend des 1. Weltkrieges wurde die Schlacke übrigens von der Manganverwertungsstelle des Kaiserreiches auf ihre kriegswirtschaftliche Eignung untersucht. Aufgrund des geringen Mangangehaltes sah man jedoch von einer Nutzung in der Stahl- und Munitionsherstellung ab.

Im Jahre 1921 beschäftigte die Hermannshütte 454 Arbeiter und 24 Beamte (heute würden wir sie als Angestellte bezeichnen), von denen zu diesem Zeitpunkt 79 bereits mehr als 25 Jahre ununterbrochen "off de Hött" tätig waren. Der älteste der Arbeiter war 80(!) Jahre alt und im Jahr 1921 schon 50 Jahre im Dienst des Werks. Für die Arbeiter des Hüttenbetriebes waren eigens 41 Familienwohnungen erbaut wor-den, die sogenannten "Krupp´schen Häuser". Ferner entstand ein Logierhaus für Al-leinstehende mit über 100 Betten, dessen Standort sich in der Nähe des Eisen-bahnviaduktes befand.

Vom 01. August 1871 bis zum 01. August 1921 wurden insgesamt 2.725.200 Tonnen Roheisen in der Hermannshütte erzeugt. Noch im Jahre 1921 konnte man in den Krupp'schen Monatsheften nachlesen, dass die Hütte zwar veraltete Einrichtungen aufweise, aber "aufgrund der Güte ihrer Produkte, ein sehr geschätztes Glied in der Reihe der Krupp'schen Betriebe ist, deren Erzeugnisse sich in den Stahlwerken und Gießereien besonderer Wertschätzung erfreuen".

Nur kurze Zeit später später, im Jahre 1925, wurde die Hütte aus wirtschaftlichen Gründen dennoch stillgelegt. Die Betriebsanlagen wurden abgebrochen und das Gelände verkauft. Damit ging nach fast sieben Jahrzehnten die Geschichte der Neu-wieder Hermannshütte zu Ende.

An ihrem Standort entstanden bald die Wiking-Werke, ein Zementwerk, doch dies ist bereits ein neuer Abschnitt in der interessanten Wirtschaftsgeschichte unserer Stadt.

Quellen:
Kruppsche Monatshefte, 2. Jahrgang, Juli 1921
Nach der Schicht, 9. Jahrgang, Mai 1929, Die Geschichte der Kruppschen HochöfenTechnik Geschichte, Beiträge zur Geschichte der Technik und Industrie, Band 30, 1941