Der viergeschossige Turm mit dem Rautenhelm und der quadratische, innen kreuzgewölbte Chor der heutigen evangelischen Pfarrkirche stammen - wie die inneren und äußeren Stildetails ausweisen - von einem spätromanischen, im 13. Jahrhundert errichteten Kirchenbau, der seinerseits einen Vorgänger gehabt haben muß, da Niederbieber schon 1204 als Pfarrei genannt wird.
Das Patronat der - wahrscheinlich Maria geweihten - Kirch besaßen die Isenburger, seit spätestens 1340 aber die Grafen von Wied, denen die Kirche in der Zeit von etwa 1450 bis um 1580 als Grablege diente.
Unter dem Altar wurde 1552 der auf Burgwied verstorbene Kölner Kurfürst-Erzbischof und Reformator Graf Hermann zu Wied beigesetzt. Von seinen Eltern sind noch die heraldischen Grabplatten vorhanden.
Gegen Ende des 15. Jahrhunderts ersetzte man das alte Langhaus durch einen dreischiffigen und zweiwöchigen, eingewölbten Bau von annähernd quadratischem Grundriß. In späterer Zeit verlängerte man das Mittelschiff und das nördliche Seitenschiff nach Westen, erweiterte die Empore und veränderte die Seitenfenster. Seitdem hat die Kirche ihr heutiges Aussehen.
Eigentlich besteht die Turmuhr aus zwei größeren Bauteilen, die an zwei räumlich verschiedenen Orten montiert wurden. Die Verbindung dieser zwei Teile übernimmt eine 12 Millimeter dicke Stahlwelle. Die Verbindungswelle, die die Kraft der Drehbewegung überträgt, hat eine Länge von ca. 29 Metern.
Das Zifferblatt befindet sich an der Westseite des erweiterten Teils der gotischen Kirche aus der Bauzeit um 1400. Um 1910 wurde dieses sichtbare Teil vom Kirchturm an den jetzigen Standort verlegt. Es soll der Wunsch vieler Segendorfer Mitbürger gewesen sein.
Der Minutenzeiger hat eine Länge von etwa 80 Zentimetern, der Stundenzeiger mißt 50 Zentimeter. Die Kraft der Drehbewegung beider Zeiger kommt von dem Uhrwerk, das sich im 2. Stockwerk des romanischen Kirchturms befindet. Der Kirchturm hat, mit Kreuz und Hahn, eine Höhe von etwa 35 Metern und wurde wie der Chor um 1200 erbaut.
Zur Lagerung und Führung der Verbindungswelle zwischen Uhrwerk und Zifferblatt wurden mehrere offene Schalen und Winkelzahnräder installiert. Die Wartung erübrigt sich nahezu, und die Uhr läuft fast auf die Minute genau.
Zum Uhrwerk gelangt man vom Kircheninnenraum über 58 Stufen in den Turm. Seine Umrahmung besteht aus stabilen Winkel- und Flacheisen, die zum Teil gegossen, verschweißt oder verschraubt wurden. EIngebaut wurde die Uhr laut HAndschriftsatz auf der Betriebsanleitung am 10. November 1897.
Vom Uhrwerk kommt die Kraft, die zum Drehen und zur Bewegung der Übertragungshebel für Uhrzeiger und Glockenschlag gebraucht wird. Die Schwerkraft von drei Hängegewichten ist die Quelle und der Antrieb. Jedes dieser drei Hängegewichte aus Gußeisen hat ein Gewicht von etwa 100 Kilogramm und die Form einer Rundsäule, die in verschiedenen Ringen, zur Zeit 5-7-6, an einem Stahlseil von etwa 5 Millimetern Durchmesser hängen. Mit einer Handkurbel müssen diese drei Rundsäulen einzeln, spätestens am 6. Lauftag des Uhrwerkes, circa 6 Meter hoch in die Ausgangsstellung gekurbelt werden.
Kurbel 1 übernimmt den Glockenschlag für jede abgelaufene 15. Minute (1 Schlag nach 15, Minuten, 2 nach 30 Minuten usw.) Nach 4 Schlägen erfolgt die Auslösung am Uhrwerk zum zeitlichen Stundenschlag. Beim jeweiligen 15-Minuten-Ton erklingt Glocke 3, die einen Durchmesser von 81 Zentimetern hat (unterer Glockenrand) und in der Höhe 75 Zentimeter misst.
Die Kraft für den Stundenschlag gibt das Bedienen der Kurbel 3. Zu hören ist hier die Glocke 1 mit einem Durchmesser von 11 Zentimetern und einer Höhe von 111 Zentimetern. Sie ist die größte der vier in Bronze gegossenen Glocken, die im Turm auf einer Fläche von 4 mal 4 Metern nach weiteren 16 Stufen angebracht sind.
Bei beiden Glocken fällt ein Anschlaghanmer an die Außenwand. Bei den Kurbeln 1 und 3 wurde im Getriebe eine ÜBersetzung eingebaut, die das Aufrollen der Stahlseile für die Gewichte wesentlich erleichtert, Bei einer sechstägigen Laufzeit des Uhrwerks müssen an beiden Kurbeln je etwa 100 Drehbewegungen von Hand mit einem Kurbelgriff ausgeführt werden.
Die Kurbel 2 gibt die Kraft und bestimmt damit den Kreislauf der beiden Zeiger auf dem Zifferblatt an der Westseite der Kirche. Das Aufziehen der Uhr an dieser Kurbel erfolgt ebenfalls mit der auswechselbaren Handkurbel. Hier gibt es keine Übersetzung. Mit Muskelkraft muss auch hier das Hängegewicht nach spätestens sechstägiger Kaufzeit mit etwa 50 Drehbewegungen von Hand auf die Anfangshöhe gebracht werden.
Die größte und älteste Glocke wurde im Jahre 1615 gegossen. Im Jahre 1840 folgte die zweite, 1911 kam eine dritte Glocke hinzu.
Diese Drei Glocken bildeten das Geläut bis zum 2. Weltkrieg. Während dieses Krieges mussten die beiden großen Glocken abgegeben werden. Um der Gemeinde nicht das gesamte Geläut zu rauben, beließ man die kleinste Glocke von 1911 im Kirchturm. Durch einen glücklichen Zufall wurde die alte Glocke von 1615 auf dem Glockenfriedhof in Hamburg wiedergefunden und zurück gebracht. Die zweite Glocke von 1840 blieb jedoch weiterhin verschollen. Sie wurde wohl zu Kriegszwecken eingeschmolzen.
Als Ersatz für diese Glocke wurden zwei neue in den Tonarten gis und h bestellt und 1953 bei der Renovierung der Kirche eingebaut und zum Vierklang vereint.
Mit dem Einbau der neuen Glocken wurde der Handbetrieb auf Elektromotoren umgestellt. Im März 1953 läuteten die Glocken der Pfarrkirche zum ersten Mal elektrisch.
Im Renovierungsjahr 1953 wurde auch eine neue Orgel eingebaut. Die alte befand sich zu früheren Zeiten im Altarraum.
Zum Bau der neuen Orgel wurde der Kirchenraum nach oben geöffnet und der Dachboden ausgebaut. Die Orgelwerkstatt W. Peter aus Köln-Mülheim entwickelte sie. Es handelt sich um eine zweimanualige, mechanische Orgel mit einem Pedal, ausgerüstet mit insgesamt 17 Registern (6 Register oberes Manual, 5 Register im Pedal).
Zusätzlich ist das Instrument mit einem funktionstüchtigen Blasebalg ausgestattet, der jederzeit, sollte die Elektrizität einmal ausfallen. benutzt werden kann. Er ist, wie auch der Orgelmotor, in einem Raum neben der Orgel installiert.
Quelle: "Evangelische Pfarrkirche zu Neuwied-Niederbieber", Autor: Rudolf Göller